D-Laktat und Glycolat
Anthony Hyman und Teymuras Kurzchalia, zwei Forscher vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden haben entdeckt, dass Parkinson-geschädigte Nervenzellen der Substantia Nigra durch die Zufuhr von zwei natürlichen Substanzen, Glykolsäure (Glykolat) und eine bestimmte Milchsäure (D-Laktat), wieder zur vollen Funktionsfähigkeit gebracht werden können.
Sie haben dazu einerseits Dopamin-Neuronen aus Zellkulturen von Parkinsonkranken mit dem Gen-Defekt DJ-1 untersucht, bei dem die natürliche Produktion von D-Laktat und Glykolat reduziert ist. Dadurch werden die Mitochondrien der Zellen, die für die Energieproduktion zuständig sind, fortlaufend geschädigt und sterben schließlich ab, was zum Sterben der Nervenzelle insgesamt führt.
Andererseits haben sie Dopamin-Neuronen untersucht, die mit dem Herbizid Paraquat vergiftet wurden. Paraquat ist bekannt dafür, dass es Parkinson auslöst. Auch diese Zellen zeigen eine abnehmende Leistung der Mitochondrien bis hin zum Zeltod.
Das außerordentlich erstaunliche Ergebnis nach Zugabe von D-Laktat oder Glykolat: die Mitochondrien der geschädigten Zellen erholen sich wieder und die Zellen kehren insgesamt zu ursprünglicher Leistungsfähigkeit zurück. Dabei genügt die Zugabe von einem der beiden Wirkstoffe.
Die exakte Wirkungskette dieser Zell-Heilung konnten die Forscher noch nicht entschlüsseln. Dies ist ihr nächstes Ziel.
Klar ist aber bereits, dass erstmals zwei Wirkstoffe gefunden worden, die die im Zuge der Parkinson-Krankheit geschädigten Dopamin-Neuronen wieder heilen können. Bereits vollständig abgestorbene Dopamin-Neuronen können auf diesem Wege jedoch nicht wiederhergestellt werden.
Die gezielte medikamentöse Anwendung dieser Wirkstoffe würde also potentiell die Parkinson-Krankheit zum Stillstand bringen und eventuell eine leichte Besserung durch Rettung von bereits geschädigten, aber noch lebenden Dopamin-Neuronen erbringen. Für die Wiederherstellung der vollständigen Dopamin-Produktion müssten z.B. Zell-Ersatz-Therapien angewendet werden.
Sollte die weitere Forschung die Wirksamkeit von D-Laktat bzw. Glykolat zur Rettung von geschädigten Dopamin-Neuronen bestätigen, so wären diese beiden Stoffe auch ideal zur Parkinson-Prävention geeignet.
Weiterhin stehen zwei sehr wichtige Erkenntnisse fest: D-Laktat und Glykolat kommen in gewöhnlichen Lebensmitteln vor und benötigen damit keine Zulassung als Arzneimittel. Weiterhin haben die Forscher festgestellt, dass mit der Nahrung aufgenommenes D-Laktat und/oder Glykolat über den Verdauungstrakt ins Blut aufgenommen wird, die Blut-Hirn-Schranke überwindet und somit im Gehirn verfügbar wird.
D-Laktat ist eine sogenannte linksdrehende Milchsäure, die von bestimmten Joghurt-Bakterien (lactobacillus bulgaricus) hergestellt wird. Praktisch alle im Handel befindlichen Joghurts verwenden jedoch andere Joghurtbakterien wie lactobacillus bifidus und lactobacillus acidophilus, die die allgemein als gesund geltende rechtsdrehende Milchsäure herstellen. Manche Joghurts enthalten sowohl links- als auch rechtsdrehende Milchsäure, dies wird aber nicht auf den Verpackungen deklariert und kann sich jederzeit ändern. Damit scheidet bisher im Handel käufliches Joghurt als Quelle für D-Laktat de facto aus.
Glykolat kommt vermehrt in bestimmten unreifen Obstsorten vor, unter anderem in unreifen Pflaumen. Es ist aber unklar, wie viel unreifes Obst man zu sich nehmen müsste, um eine relevante Konzentration von Glykolat im Gehirn zu erreichen.
Die Forscher haben daher angekündigt, ein spezielles Parkinson-Joghurt mit hohem Gehalt an D-Laktat entwickeln und auf den Markt bringen zu wollen.
Quellen:
- Original-Artikel in Biology Open (Juli 2014)
- Veröffentlichungen der Max-Planck-Gesellschaft und des MPI-CBG
- Pressemeldungen auf Deutsch und Englisch